Die balconybotanista Balkonsituation ist nur erträglich, wenn die Balkontür geschlossen ist. Direkt unter dem Balkon geht die Hauptstrasse vorbei mit all ihren Bussen, Lastwägen und dem Pendlerverkehr. So weit, so normal ... aber wenn der Sommer kommt, nimmt die Situation echte Ausmasse an. HITZESTAU in der gesamten Wohnung. Man hat die Wahl zwischen Höllenlärm oder Höllenfeuer! Wie die Probleme Lärm, Feinstaub und Hitze durch Balkonbegrünung gelöst werden können erkläre ich hier.
Problem 1: Die Hauptdurchzugsstrasse direkt unter unserem Balkon verursacht Lärm
Der Lärm ist unerträglich wenn die Balkontür offen ist. Im Wohnzimmer gemütlich zusammen essen funktioniert nicht mehr in dem Fall. Die Balkontür kann aber auch nicht dauerhaft geschlossen sein, da unsere Katzen dann verrückt spielen würden. Das bedeutet: eine Lösung muss her.
Die Analyse
Lärm ist ja oft ein Problem an Strassen und es ist allgemein bekannt, dass Balkonbegrünung Lärm mindern kann. Oft sieht man an Schallschutzwänden Efeu ranken. Das hat einen simplen Hintergrund. Die unstrukturierte Oberfläche von Blätterwerk und die Tiefe von so einem Efeubewuchs hemmen Schallwellen auf unterschiedliche Arten:
- «Dissipation»: ein Teil der Schallenergie wird in Wärme umgewandelt.
- «Reflexion»: ein Teil der Schallwellen werden im Blattwerk immer wieder von verschiedenen Oberflächen reflektiert
Das bedeutet also dass, Schallwellen die auf blättrigen Bewuchs prallen, innerhalb von diesem Blattwerk immer wieder von Oberflächen, die in unterschiedliche Richtungen zeigen, abprallen und jedesmal wenn sie abprallen ein bisschen an ihrer Stärke verlieren. Der Lärm wird also im Grünzeug quasi eingesperrt und zerhächselt.
Die Lösung
Klingt doch spitze! Efeu muss her!
Aber Achtung: Efeu ist für Katzen giftig! Balu und Peggi, die zwei vierbeinigen Mitbewohner, wären nicht erfreut…
Nach ein bisschen Grübeln entschied sich die balconybotanista für echten Wein. Hat natürlich den Nachteil, dass er im Herbst die Blätter verliert aber zumindest ist Wein nicht giftig und bringt auch noch Beeren als Ertrag ein.
Der Wein sollte in das Eck des Balkons, welches der Sonne am meisten ausgesetzt ist und zudem die grösste Wand bietet um eine nützliche Rankhilfe nach oben zu bauen. Der Plan ist, dass der Wein an der Wand entlang nach oben rankt und dann an der Überdachung des Balkons entlang zur Front, also zum Katzennetz. Am Katzennetz entlang, sollte die Pflanze wieder ein bisschen nach unten wachsen und somit eine schöne Laube auf dem Balkon bilden, Lärm von der Strasse absorbieren und etwas Schatten spenden für die Pflanzen darunter. Damit würde das Lärmproblem zumindest in einem ersten Schritt verbessert.
Strassenlärm ist nicht extrem stark beeinflussbar – dazu sind die Töne viel zu tief. ABER: je grösser die Blätter desto tiefere Hertzbereiche werden gedämmt. Zudem ändert sich das restliche Schallspektrum. Ich bin schon gespannt, wie der Wein wirkt.
Problem 2: Dieselbe Strasse verursacht Feinstaubbelastung
Wie viel Feinstaub tatsächlich von dieser Strasse produziert wird, sieht man sehr deutlich, wenn man die Fensterrahmenverdreckung an der Südseite der Wohnung und an der Nordseite der Wohnung miteinander vergleicht. An der Südseite, der Strassenseite, ist dieser grauen, russigen Schicht kaum Herr zu werden! Das ist nicht nur eklig, sondern auch besorgniserregend. Nun stellt sich die Frage, ob dieses Problem ebenfalls mit Balkonbegrünung verringert werden kann?
Die Analyse
Sicher ist jedenfalls, dass Pflanzen eine physische Barriere darstellen zwischen Strasse und Innenraumluft. Die Folge ist, dass sie durch ihre Anwesenheit schlicht den Feinstaub abfangen, welcher sich dann auf den Pflanzen selbst festsetzt. In der Stadtplanung ist schon seit längerem bekannt, dass Feinstaub von Pflanzen aus der Luft gefiltert wird. Dabei sind Pflanzen sowas wie ein Rechen: wenn Staubpartikel in die Nähe von Blattoberflächen kommen, dann bleiben sie durch elektrostatische Anziehung auf den Blättern hängen. Eine Studie der Stiftung Grüne Stadt hat Blätter von wildem Wein einmal im Juni (frische, saubere Blätter) und einmal im Oktober (sichtlich abgekämpfte Blätter) mikroskopiert. Das Ergebnis ist schon recht krass:

Feinstaubansammlung auf Weinblatt, mikroskopische Aufnahme
Man vermutet, dass der Feinstaub durch das Wachs auf der Blattoberfläche verklumpt und dann von Regen auf den Boden gespült wird. Ein weiterer Pro-Tipp: Nadelbäume sind die besten Feinstaubfilter.
Die Lösung
Na toll. Ich hab leider keine Fichte auf meinem Balkon Platz. Was also tun? Für die balconybotanista kamen aus Platzgründen zwei Möglichkeiten in Frage:
- Die Balkonfront mit Grasbüscheln zupflanzen
- Eine Wollemia ("Dinosaurierpflanze") in das Wetterseite-Eck stellen
Für das Gras spricht, dass es pflegeleicht ist und einfach in die vorhandenen Balkontröge gesetzt werden kann. Und: die Katzen würden es lieben.
Für die Wollemia spricht, dass es eine verdammt krasse Pflanze ist, die Trockenheit, Sonne und Hitze verträgt und ganzjährig grün ist. Und es ist ein Nadelholz, aaaalso viel besserer Feinstaubfilter.
Der aufmerksame Leser bemerkt, dass die balconybotanista eine Tendenz hat … 🙂
Die Entscheidung somit: beides wird gepflanzt. 🙂
Problem 3: Im Sommer heizt die Wohnung durch die Südlage extrem auf
Ach ja. Da kommt man fix und alle im Hochsommer von der Arbeit heim – und findet sich in einer Saunawohnung wieder!! Vergessen die Markise und die Vorhänge in der Früh runterzulassen? Das ist Routine-Qual bei balconybotanista.
Das «Hauptproblem» ist die Südfront mit riesiger Glasscheibe und Balkon, direkt an das Wohnzimmer anschliessend, als grösster Wohnraum somit Richtung Süden gelegen. Einerseits brennt die Sonne ungehemmt durch die Fensterfront, andererseits ist der Balkon aus Beton ein echter Backofen, wenn er erst mal den ganzen Tag von der Sonne bestrahlt wurde. Das heisst, auch in der Nacht wird es nicht besser.
Also – was tun?
Die Analyse
Jeder weiss, dass Pflanzen Hitzeentwicklung vermindern. Wenn wir zum Beispiel an einem heissen Tag von der Stadt in den Wald fahren spüren wir sofort einen Unterschied. Das nennt man Mikroklima. Pflanzengemeinschaften und einzelne Pflanzen haben die Eigenschaft ein Mikroklima zu erzeugen.
Erstens generieren sie unterhalb der Blätter Schatten.
Zweitens geben sie Wasser über die Blattoberfläche ab. Dort haben Pflanzen Poren, die Kohlendioxid aufnehmen und Wasser und Sauerstoff abgeben – bei Tageslicht wohlgemerkt.
Nun ist dieses Wasser in der Luft und wird von dieser aufgenommen. Simple Vedunstung. …. Aber ein toller Nebeneffekt von Verdunstung ist die Verdunstungskühlung (wie beim Schwitzen) und DAS bedeutet: Pflanzen machen die Luft doppelt kühler.
Erstens durch Schatten, zweitens durch Wasserabgabe an die Luft. Und der Beton? Der erwärmt sich durch den Schatten ebenfalls weniger.
Die Lösung
Welche Pflanzen man aufstellt um dieses Ergebnis zu erreichen ist eigentlich egal. Gut sind wärmeliebende Schattenspender als erster «Verteidigungswall», dort wo die Sonne am längsten und intensivsten hinscheint. Im Schatten des Verteidigungswalls können weitere, nicht so hitzetolerante Pflanzen platziert werden. Diese produzieren dann Verdunstungskühle im Schutz der Frontpflanzen und schaffen ein "Miniwald-Mikroklima".
FAZIT
Jetzt haben wir für 3 grosse Wohnprobleme 3 wirksame und im Grunde einfache Balkonbegrünung-Lösungen! Ein bisschen Zeit braucht man und Interesse für nachhaltige Lösungen.
Übrigens: das gilt nicht nur für «draussen auf dem Balkon», sondern auch im ganz Kleinen: im WG-Zimmer am Fensterbrett oder in der Büroecke die euch gehört. Oder, im ganz Grossen: Kommunen, Städte, Dörfer – mit richtiger Raumplanung und ein bisschen Basiswissen kann man viel bewirken.
Für mehr Grün auf Anthrazit!
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