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Balkongrün Ja oder Nein: 4-Schritt-Verhandlungsanleitung bei kritischen Mitbewohnern

Angenommen man verfügt über einen Balkon. Angenommen, man verfügt aber nicht allein über jenselbigen Balkon. Wie schafft man es, sämtliche Verfügungsgewalt für Urwaldpläne auf kleiner Fläche an sich zu reissen? Wie die balconybotanista für Balkongrün argumentiert.

Die guten sechs Quadratmeter Südbalkon, um die es hier geht, sind nicht meins. Nein, es gibt noch weitere Lebensformen, die balconybotanistas Balkon bevölkern. Darunter ein Humanoider und zwei Katzen – die eigentlich herrschende Species dieser Welt.

Die zwei Katzen sind schnell überredet – Wald- und Wiesenflair in der Stadt weckt das Interesse. Aber der Besitzer des Balkons, ein grillwütiger, männlicher Mensch, das ist schon eine ganz andere Herausforderung. Hier muss man natürliches Territorialverhalten voraussetzen und dementsprechend sehr vorsichtig mit den Verhandlungen voranschreiten. Dazu eine Anleitung in 4 Schritten.

1. Vorverkauf 

Eine balconybotanista hat natürlich schon ganz genaue Vorstellungen davon, wie dieser Balkon aussehen wird. Bevor jedoch irgendwas davon umgesetzt werden kann müssen sämtliche Mitbewohner zu 100% von der Tatsache überzeugt sein, dass eine Permakultur auf dem Balkon eine gute Idee ist.

Dazu werden schon Wochen vor dem eigentlichen Vorschlag immer wieder verbal Gedanken gestreut wie:

«Unser Balkon ist schon sehr trist.»

«Gar nicht gemütlich da draussen – so kahl»

«Also jeder sieht durch das Wohnzimmerfenster – da könnte man echt mal was am Balkon machen, oder?»

Da das Balkongrün ja vorwiegend essbar sein sollte, werden zu diesem Zeitpunkt auch diverse sehr weit fassende Nahrungsmitteldiskussionen aufgegriffen:

«Urban Gardening sieht ja echt stylisch aus!»

«Ich hab gerade gelesen, dass die Zukunft der Landwirtschaft dezentral und kleinflächig ist.»

«Im Supermarkt gibt’s aber auch immer nur dasselbe.»

Solche Bemerkungen, gepaart mit ein-zwei guten Dokumentarfilmen führt dazu, dass tatsächlich ein Bild entsteht: Urban Gardening, Vertical Gardening, Aquaponics und Permakultur werden von einem Konzept zu handfesten Vorstellungen im Kopf.

Diese Suggestionen, regelmässig wiederholt, führen zu einer gewissen Unzufriedenheit mit dem Status Quo. Das starke ästhetische Bewusstsein des Balkonbesitzers wird dahingehend sensibilisiert, dass eine Veränderung notwendig wird. Eine Veränderung zum Besseren. Es ist wichtig, dass man die Wiederholungen in einem zeitlich verträglichen Abstand artikuliert – man will ja niemandem auf die nerven gehen, sondern einfach unbewusste Anker setzen. Eine Ahnung im Gegenüber generieren, dass womöglich etwas im Gange ist.

2. Verkauf

Jeder weiss: alles steht und fällt mit den Bedürfnissen des Käufers. Wenn man diese erkennt und entsprechend anspricht, dann funktioniert der Handel. Die balconybotanista hat sich das natürlich zurechgelegt.

Welchen Nutzen hat der Mitbewohner bei einer geplanten Balkonbegrünung? Welche Bedürfnisse hat er jetzt und wie kann eine Permakultur am Balkon diese Bedürfnisse befriedigen?

In balconybotanistas Fall waren die «Schmerzpunkte» beim Thema Balkon die folgenden:

  • Die Hauptdurchzugsstrasse direkt unter unserem Balkon verursacht Lärm
  • Dieselbe Strasse verursacht Feinstaubbelastung
  • Der Balkon ist ungemütlich
  • Im Sommer heizt sich die Wohnung durch die Südlage extrem auf

Das bedeutet, die Argumentation zielte darauf ab, das geplante Balkongrün als einzige, wahre Lösung für sämtliche balkonbezogenen Probleme zu präsentieren… Die Probleme Lärm, Feinstaub und Hitze können durch Planzenbewuchs merklich verbessert werden. Wie das im Detail funktioniert, ist in diesem Artikel beschrieben. Es galt also nur noch, das gesammelte Wissen nochmals spezifisch für den betroffenen Balkon herauszuarbeiten. Dazu später, denn man soll ja einen „einfachen“ Einstieg wählen…

Balconybotanista begann mit dem unkompliziertesten Punkt – in Form eines bedingungslosen Gebens:

«Schatz, ich glaube ich werde dieses Wochenende mal richtig den Balkon aufräumen.» Dieser Satz war der Trigger für Dankbarkeit und Wohlgesonnenheit in Bezug auf balconybotanistas Balkontätigkeiten. Denn genau aufgrund der oben genannten „Schmerzpunkte“ ist das Aufräumen des Balkons eine Aufgabe, die nicht gerne erledigt wird.

Nachdem die erste Kerbe geschlagen war, wurde suggeriert, eine gute Lösung für die Punkte Lärm, Feinstaubbelastung und Hitzeentwicklung zu haben. Eine verträgliche, ausgeklügelte Erstellung eines Pflanzenökosystems:

Mit Balkongrün Probleme lösen:

Lärm: um den Lärm etwas zu dämpfen, sollte ein Weinstock in einem Topf im Westeck des Balkons direkt an der Wand positioniert werden. Im Idealfall rankt dieser Wein die gesamte Wand hinauf, oben an der Decke entlang Richtung Front und dämpft so nicht nur den Lärm sondern sord auch für etwas Beschattung.

Feinstaub: Der Feinstaub soll durch Gräser an der Front und eine Wollemia an der Westseite ansatzweise aus der Luft gefiltert werden. Leider ist ein 6,5 Quadratmeter-Balkon zu klein für einen waschechten Nadelbaum… und hoffentlich wächst auch die Wollemia nicht wie irre. 🙂

Hitze: Hitze ist am besten unter Kontrolle zu bekommen. Pflanzen generieren automatisch Schatten und ein Mikroklima – also stelle ich so viel Grünzeug wie möglich auf den Balkon. An der Front, wo die Sonne direkt drauf scheint, kommen hitzetolerante und sonnenliebende Arten hin (Chilli, Paprika, diverse Kräuter wie Oregano, Thymian, Salbei, Lavendel), dahinter solche, die eher in Wärme und Halbschatten gedeihen.

Die Skepsis war bis zum Ende meiner Ausführungen schon merklich geschrumpft und der Besitzer des Balkons eingelullt – als die finale Grillgarantie (Platz für den Grill ist gesichert) gegeben wurde, stand dem entscheidenden Schlag nichts mehr im Wege:

3.  Commitment abholen

… oder einfach gesagt: die Zustimmung, die Balkonpläne umzusetzen, einholen. Warum? Weil dann gilt, dass ganz offiziell gefragt und ganz offiziell zugestimmt wurde. Das ist in dem Fall unbedingt notwendig, damit man ruhigen Gewissens ans Werk gehen kann. Zudem hilft es, zumindest bei Dingen, die man nicht alleine schafft, Hilfe anzufragen (und meistens bekommt man sie dann auch).

Damit auch das reibungslos funktioniert hilft der endgültige Schritt 4:

4.  Vision präsentieren 

Die Vision ist aufgrund er vorab geleisteten Planung des Balkons entstanden und sah so aus:

Balkongrün Vision der balconybotanista. Gezeichnete Skizze des Balkons

Diese Visualisierung zeigt das Ergebnis der Balkonbegrünung zum Zeitpunkt der Erntezeit und soll  balconybotanistas Grillliebhaber immer wieder das grosse Ziel vor Augen halten. Ein Balkonparadies wird erschaffen!

Es ist fundamental wichtig, Pläne in irgendeiner Weise zu visualisieren und vorstellbar zu machen. Durch eine einfache Zeichnung schafft man ein Stück weit Realität. Dadurch werden Luftschlösser greifbar und man schafft zudem eine Diskussionsbasis. Beispielsweise wurde der Sitzsack sofort bemängelt (also kein Sitzsack) und die Salatbar hinterfragt.

Zudem hilft so eine Vision auch durch so mache Durststrecken und motiviert wenn zweifel aufkommen.  Zum Beispiel dann, wenn die Kisten für die Beete durch das 1,5 Meter breite Stiegenhaus in das 2. Obergeschoss geschleppt werden müssen…

Dann wird dieses Bild vor unseren Augen auftauchen und uns dazu animieren nicht aufzugeben. Hoffentlich 🙂

 

… für mehr Grün auf Anthrazit und eine reiche Ernte!

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